Süße Träume
Kennen Sie die Nachtschattengewächse? Diese Pflanzenfamilie ist vor allem durch verschiedene Nahrungspflanzen bekannt, wie die Kartoffel, Paprika oder Aubergine. Es gibt aber auch zahlreiche Wildpflanzen in dieser Familie und eine davon blüht derzeit wunderschön im Wurzacher Ried – der Bittersüße Nachtschatten.
Durch seine ungewöhnliche Blüte fällt die Pflanze sofort auf: Die violetten Blütenblätter sind an der Basis verwachsen und biegen sich im oberen Bereich mit fünf Spitzen weit auseinander. Die leuchtend sonnengelben Staubblätter in der Blütenmitte bilden eine Röhre, aus der die Narbe herausragt. Ein Blütenstand kann bis zu 40 Einzelblüten haben, von denen aber immer nur wenige gleichzeitig geöffnet sind. Die Blütezeit ist von Juni bis August. Danach bilden sich leuchtend rote Beeren, die eine runde oder elliptische Form aufweisen. Als Rankenpflanze hangelt sich der Bittersüße Nachtschatten an anderen Pflanzen empor. Da er gerne an feuchten Standorten wächst, trägt er lokal auch den Namen Wasserranke. Wie viele andere Nachtschattengewächse ist auch der Bittersüße Nachtschatten giftig. Alle Pflanzenteile enthalten Alkaloide und Saponine. In unreifen Beeren ist der Giftgehalt wohl am höchsten und eine gewisse Menge kann für Kinder durchaus tödlich sein. In passender Dosierung werden Extrakte aus den Pflanzenstängeln aber arzneilich bei chronischen Hautleiden wie Ekzemen oder Neurodermitis eingesetzt. In der Volksheilkunde kam die Pflanze zur Blutreinigung bei Rheuma, chronischer Bronchitis oder Asthma zum Einsatz, in der Homöopathie zudem bei fiebrigen Infekten, Erkrankungen der Atmungsorgane, des Magen-Darm-Traktes, der Harnwege, der Gelenke und der Haut. Der ungewöhnliche Name der Pflanze deutet aber schon an, dass von einem Verzehr oder einer Selbstmedikation dringend abzuraten ist. Die Beeren schmecken zunächst bitter, später süß. Im schlimmsten Fall kann es durch die halluzinogene Wirkung zu einem Nachtschaden, sprich einem Alptraum kommen, doch bezieht sich diese Eigenschaft wohl eher auf die Tollkirsche, einen anderen Vertreter aus der Familie der Nachtschattengewächse. Eine weitere Beschreibung sieht den Ursprung des Namens in den starken Kopfschmerzen (Schaden), die die nachts stark duftenden Blüten der Pflanzen verursachen. Kleinsäuger, Vögel und Schnecken können die Früchte unbeschadet verzehren und tragen, indem sie die Samen unverdaut wieder ausscheiden, zur Verbreitung der Pflanze bei. So kann man sie im Wurzacher Ried vielerorts an feuchten Stellen mit Gebüschen oder im Uferbereich der Wassergräben entdecken und die schönen Blüten bewundern. Aber riechen Sie gegen Abend besser nicht an ihnen – in diesem Sinne: süße Träume!
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Der schimpft wie ein Rohrspatz
Waren Sie kürzlich am Riedsee oder am kleinen Weiher im hinteren Bad Wurzacher Kurpark spazieren? Überall dort, wo dichte Schilfbestände im Wasser stehen, hört man aktuell einen auffallend lauten Vogel aus dem Röhricht singen – oder besser gesagt schnarren und schwätzen. Gemeint ist der Teichrohrsänger, ein kleiner Singvogel aus der Gruppe der Rohrsänger, die im Sommer die Röhrichte und feuchten Pflanzendickichte bewohnen.
Nur mit viel Glück wird es gelingen, einen Blick auf den eifrigen Sänger, der etwas kleiner und schlanker als ein Sperling ist, zu erhaschen. Denn durch seine einfarbig braune Oberseite und beige Unterseite ist der Teichrohrsänger zwischen den Röhrichthalmen perfekt getarnt. Diese gute farbliche Anpassung an den Lebensraum teilt der Teichrohrsänger mit den anderen Rohrsängern, so dass ihre Bestimmung am besten anhand des Gesanges gelingt. Während einige Arten wahre Imitationskünstler sind und immer neue Töne in ihr Repertoire einbauen, ist der Teichrohrsänger-Gesang eher monoton, mit zwei- bis dreifacher Motivwiederholung und ohne Triller – dafür aber sehr ausdauernd: „Tri tiri tiri tier tier zäck zäck“ kann es minutenlang ohne Pause aus dem Schilf ertönen. Leicht entsteht der Eindruck, als würde jemand aus dem Schilfrohr heraus schimpfen, und das Sprichwort „Der schimpft wie ein Rohrspatz“ leitet sich hiervon ab. Wobei es, je nach Literatur, auch anderen Rohrsängerarten zugeschrieben wird.
Nicht nur farblich, auch im Verhalten und im Nestbau ist der Teichrohrsänger perfekt an seinen Lebensraum aus mehr oder weniger senkrecht stehenden Feuchtgebietspflanzen angepasst. Mit langen Zehen und durch eine besondere Klammerhaltung, bei der ein Bein angewinkelt und auf Zugbelastung und ein Bein ausgestreckt und auf Druckbelastung gehalten wird, kann sich der Vogel an den schwankenden Strukturen perfekt aufrecht halten. Geschickt klettert er an den Stängeln auf und ab oder hüpft von einem Halm zum anderen. Das Nest ist ein tiefer Napf, der aus Pflanzenfasern gewebt und an mehreren Röhrichthalmen aufgehängt ist. Ein wahres Kunstwerk, das so konstruiert ist, dass auch bei starkem Wind keine Eier herausfallen. Im dichten Stängelgewirr ist das Nest zudem gut vor Feinden geschützt. Der Kuckuck jedoch, für den der Teichrohrsänger ein häufiger Wirtsvogel ist, hat eine besondere Taktik zum Auffinden der Nester: Sperberartig fliegt er flach über das Schilf und lockt so die Teichrohrsänger aus ihrer Deckung, die den vermeintlichen Greifvogel lautstark abwehren wollen. Doch auf diese Weise verraten sie ihren Neststandort, der vom Kuckucksweibchen im Nachhinein gezielt aufsucht wird. War es erfolgreich und fällt der Schwindel mit dem fremden Ei nicht auf, zieht das betroffene Teichrohrsängerpaar den artfremden Nestling mit aller Hingabe auf und hat reichlich Mühe, den deutlich größeren Jungvogel satt zu bekommen.
Zum Schluss noch ein Vorschlag für eine, zugegebenermaßen etwas unkonventionelle, Konfliktlösung: Wenn Sie das nächste Mal mit jemandem schimpfen müssen, tun sie es doch einfach mal auf Rohrspatz-Art, so wie Klaus Philipp in seinem Buch „Vogelstimmen nach Volksmundversen benannt“ den Teichrohrsängergesang beschrieben hat: Zick, zick, zick, zerr, zerr, zerr, schripp, schripp schripp, wuit, wuit, wuit, tiri, tiri, tiri, rick, rick, rick, kiet, kiet, kiet, karr, karr, karr, trett, trett, trett – schön laut, und immer wieder von vorne. Vermutlich werden beide Seiten in Gelächter ausbrechen und der Streit kann vielleicht leichter gelöst werden. Und beim nächsten Spaziergang werden Sie einen singenden Teichrohrsänger im Schilf sicherlich sofort wiedererkennen. Viel Erfolg!
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Ein Traum in Weiß
Es ist wieder soweit: die Flächen der Hoch- und Übergangsmoore im Wurzacher Ried erscheinen als ein Meer aus weißen Wattebäuschen. Gebildet durch das Wollgras, das seine Köpfe im Frühjahrswind wiegt. Ein beeindruckender Anblick.
Entgegen umgangssprachlicher Formulierungen sind es nicht die Blüten, sondern die Fruchtstände des Scheidigen Wollgrases, auch Moor-Wollgras genannt, die die Blicke der Riedbesucher auf sich ziehen. Geblüht hat es bereits ab Februar, doch die Blüten sind unscheinbar grün-gelblich und fallen auf den Moorflächen kaum auf. Nach dem Abblühen verlängern sich die Blütenkelche und bilden den charakteristischen weißen Wollschopf, der früher als Wundwatte oder zum Füllen von Kissen verwendet wurde.
Die Pflanze aus der Familie der Sauergrasgewächse bildet große Horste und ist eine Charakterart der Hochmoore, also derjenigen Moore, die nur von Regenwasser gespeist werden und dadurch ganz besondere Eigenschaften aufweisen: Sie sind nährsalzarm, sauer und dauerhaft nass. Unter solchen Bedingungen können nur speziell angepasste Tiere und Pflanzen überleben. Das Scheidige Wollgras ist ein solcher Spezialist. Jedes Jahr bildet die Pflanze ein neues Wurzelstockwerk aus und wächst somit mit der umgebenden Vegetation in die Höhe. Ein guter Trick, um nicht von den Torfmoosen überwachsen zu werden.
Auch zur Verbreitung hat die Pflanze einen Trick auf Lager: Sie ist ein „Schirmchenflieger“. Wie bei der Pusteblume des Löwenzahns hängt an den Fäden der abgetrockneten Blütenhülle ein kleiner Samen, der nur darauf wartet, mit dem nächsten Wind per Luftkurier fortgetragen zu werden. So kann das Wollgras neue und auch weiter entfernte Flächen besiedeln. Es spielt daher bei der Renaturierung geschädigter Hochmoorflächen eine wichtige Rolle, da es diese rasch besiedeln kann. Die absterbenden Pflanzenteile sind zudem wichtige Torfbildner und tragen zum Aufbau neuer Torfschichten bei. Gut bewundern kann man die Wollgras-Flächen derzeit entlang des Torflehrpfades im Oberen Ried oder von Willis aus. Lassen sie sich von diesem Anblick verzaubern!
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Wohl dem, der eine Meise hat
Meisen gehören zu den Vogelarten, die auch den Winter bei uns verbringen und somit ganzjährig zu beobachten sind. Nicht selten sieht man die verschiedenen Arten in der kalten Jahreszeit in gemischten Trupps umherfliegen, wobei sie sich durch ihre Kontaktrufe auch akustisch bemerkbar machen. Auch im Garten als Besucher des Futterhäuschens zählen Meisen zu den häufigsten Arten.
Während die Kohlmeise mit ihrer gelben Brust mit schwarzem Streif und dem kohleschwarzen Kopf und die Blaumeise mit ihrer blau-gelben Färbung recht vielen Menschen bekannt sind, sieht es bei den weiteren heimischen Arten aus der Familie der Meisen meist anders aus. Manchmal lässt sich am Futterhaus die braun-beige Sumpfmeise mit der glänzend schwarzen Kopfkappe und einem schmalen schwarzen Kinnfleck entdecken. Ihre zum Verwechseln ähnliche Zwillingsschwester, die Weidenmeise, mit mattschwarzer Kopfplatte und breitem schwarzen Kinnfleck, ist deutlich seltener und vor allem in feuchten Laubwäldern zu finden. In Nadelwäldern ist die Tannenmeise zu Hause. Sie ähnelt einer kleinen Kohlmeise, doch ist ihre Unterseite beige anstatt gelb und ihr fehlt zudem der schwarze Längsstreif auf der Brust. Im gleichen Lebensraum ist auch die Haubenmeise anzutreffen, mit der namensgebenden weiß-grauen Federhaube auf dem Kopf und dem schwarzen halbmondförmigen Band hinter dem Auge.
Futterstellen werden insbesondere von Kohl- und Blaumeisen oder auch von Sumpfmeisen besucht. Nimmt man sich ein bisschen Zeit und beobachtet dort ihr Verhalten, so fällt rasch ihre agile Bewegungsweise auf. Meisen haben eine gar meisenhafte Wendigkeit sowie eine große Begabung fürs Klettern und Balancieren, was einen sehr gut entwickelten Gleichgewichtssinn erfordert. Insbesondere die kleine, leichte Blaumeise kann noch die äußersten, dünnen Zweige der Bäume erklimmen, sich dort in aller Ruhe kopfüber entlanghangeln und nach Nahrung suchen. Neue Gegebenheiten erkunden Meisen schnell, neue Futtersysteme haben sie rasch durchschaut. Meisen sind ausgesprochen neugierig. Diese Neugier spricht durchaus für höhere Gehirnleistungen, gleichsam wie es bei Delfinen oder Schimpansen der Fall ist, die ja als Referenz für tierische Intelligenz gelten. In früheren Zeiten jedoch hat man diese Neugier und die damit oft einhergehende Unbedarftheit als Dummheit ausgelegt und Meisen als überaus törichte Vögel beschrieben. Der Ausspruch „der hat doch einen Vogel“ wurde im Laufe der Zeit spezifiziert zu „der hat doch eine Meise“. Diese weithin gängige Bezeichnung für einen Menschen, der nicht alle Sinne beisammen oder, anders ausgedrückt, nicht alle Tassen im Schrank hat, rührt von der im Volksglauben verankerten Vorstellung, dass Geisteskrankheit durch Nisten von Tieren im Kopf verursacht würde. Würmer konnten das sein, Mäuse, Fliegen oder eben auch Vögel. Man war der Meinung, dass sich dort, wo der Mensch üblicherweise denkt, ein Hohlraum befindet, in dem ein Nest inklusive eines Vogels sitzt. Der Ausspruch „Bei dir piept es wohl“ beruht auf dem gleichen Aberglauben, ebenso die Geste, sich mit dem Finger an die Stirn zu tippen, um jemandem zu signalisieren, dass in seinem Kopf ein Vogel nistet.
Heute schaffen es Meisen immer wieder, Wissenschaftler durch besondere Leistungen in Erstaunen zu versetzen. Kohlmeisen gehören wohl mit zu den klügsten Vögeln, insbesondere wenn es darum geht, bestimmte Verhaltensweisen zu erlernen. In England wurden sie berühmt, weil sie gelernt hatten, Aluminiumdeckel von Milchflaschen oder Joghurtbechern aufzupicken, um den Rahm bzw. Joghurt zu naschen. Daher können Sie es künftig durchaus auch als Kompliment auffassen, wenn jemand zu Ihnen sagt, Sie hätten eine Meise!
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Wintergäste
Nanu, Vogelgesang im Winter? Das ist in der Tat ungewöhnlich, denn durch ihre Melodien grenzen die Vogelmännchen gewöhnlich im Frühling ihr Brutrevier ab und werben um ein Weibchen. Doch gelegentlich ist der perlende, leicht melancholische Gesang des Rotkehlchens auch in der Winterzeit zu hören. Diese Vogelart verteidigt auch in der kalten Jahreszeit Reviere mit gutem Nahrungsvorkommen und grenzt sie gesanglich von Artgenossen ab.
Ansonsten ist die winterliche Vogelwelt deutlich ruhiger. Viele Arten haben sich auf den Weg in südlichere Gefilde gemacht. Die Daheimgebliebenen verhalten sich eher still, konzentrieren sich auf die Nahrungssuche und das Energiesparen. So mancher Trupp aus Erlenzeisigen macht hoch in den Bäumen durch emsiges Gezwitscher auf sich aufmerksam, doch hierbei handelt es sich nicht um Reviergesang, sondern um Kontaktrufe untereinander, wie man sie auch bei Meisen und anderen Vogeltrupps oft hören kann. Dennoch hat auch der Winter seine ornithologischen Reize, denn so manche Vogelart, die nicht bei uns brütet, kommt dann aus ihren nördlicheren oder östlicheren Brutgebieten zu uns, um hier zu überwintern. Zu diesen Wintergästen gehört beispielsweise der Raubwürger. Dieser etwa amselgroße Vogel ist überwiegend grau gefärbt, Flügel und Schwanz sind schwarz-weiß gezeichnet. Charakteristisch ist eine breite, schwarze Binde, die vom Schnabel bis hinter die Augen reicht und an die Banditenmaske des Zorros erinnert. Zwischen Dietmanns und Albers kann man aktuell mit etwas Glück durchaus einen Raubwürger entdecken, der gerne hoch oben auf den Hecken sitzt. Obwohl die Vorstellung eines raubenden Würgers im Moor durchaus die Erinnerung an alte Hitchcock-Filme wecken mag, so kann man doch ganz unbesorgt entlang des Riedes spazieren. Denn weder würgt der Raubwürger, noch raubt er. Sein Nahrungsverhalten ist allerdings durchaus ungewöhnlich: Wie auch sein naher Verwandter, der Neuntöter, der sich im Sommer als Brutvogel im Wurzacher Ried aufhält, legt der Raubwürger in Zeiten des Nahrungsüberflusses Vorräte an, die er in den Hecken auf Dornen aufspießt oder in Astgabeln einklemmt. Häufig sind es Mäuse oder Spitzmäuse, auch Vögel bis Drosselgröße oder große Insekten. Die Namensgebung ist also nicht ganz verwunderlich. Im Wurzacher Ried halten sich jeden Winter etwa zwei bis drei Raubwürger auf, die dann die Hochmoorränder und strukturreichen Niedermoorgebiete durchstreifen und hier Nahrung suchen, bevor sie sich im Frühjahr wieder auf den Weg in ihre Brutgebiete begeben. Der baden-württembergische Brutbestand von geschätzten 800-1000 Paaren Anfang der 1960er Jahre ist heute praktisch erloschen.
Ein weiterer gefiederter Wintergast im Wurzacher Ried ist die Kornweihe. In Abhängigkeit von der Schneebedeckung und vom Kleinsäuger-Angebot hat diese Greifvogel-Art einen regelmäßigen Winterbestand in Oberschwaben, insbesondere im Federseegebiet. Aber auch im Wurzacher Ried halten sich in den letzten Jahren regelmäßig einzelne Individuen auf. Von den umgebenden Anhöhen aus kann man sie frühmorgens aus ihren Schlafplätzen im Schilf ausfliegen sehen. Sie gaukeln dann häufig in geringer Höhe und mit v-förmig gehaltenen Flügeln über die Wiesenflächen. Dabei fallen die schlanken Flügel und der lange Schwanz auf. Ausgewachsene Männchen haben eine graue Grundfärbung mit weißer Unterseite und schwarzen Flügelspitzen. Das Weibchen ist braun gefärbt mit gelblich-weißer, braun gestrichelter Brust und hellen, schwarz gebänderten Flügeln und Schwanz. Sie bereichern die winterliche Tierwelt im Wurzacher Ried, ebenso wie Bergfinken, Bergpieper, Rauhfußbussarde und weitere Vogelarten, die sich als Wintergäste hier aufhalten. Und sie zeigen einmal mehr die große Bedeutung des Gebietes für die Artenvielfalt. Nutzen Sie also die restlichen Wintermonate, um bei einem Riedspaziergang vielleicht den ein oder anderen Überwinterer zu erblicken. Viel Vergnügen.
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Strategie ist alles
Winterzeit ist Ruhezeit in der Natur und auch im Wurzacher Ried. Keine Mooreidechsen huschen über die Bohlenpfade, keine blauschimmernden Prachtlibellen tanzen entlang der Ufer der Wurzacher Ach, Vogelgezwitscher ist kaum zu vernehmen. Vielmehr sind die Tiere nun mit zwei Problemen konfrontiert: Es ist kalt und es verbraucht daher viel Energie, die Körpertemperatur aufrecht zu erhalten, und es gibt keine oder nur wenig Nahrung. Die Strategien, die entwickelt wurden, um diese Herausforderungen zu meistern, sind vielfältig und teilweise verblüffend.
Wechselwarme Tiere, also diejenigen, bei denen die Körpertemperatur nicht konstant ist, sondern sich nach der Umgebungstemperatur richtet, können den Winter nur in Form einer Winterstarre überdauern. Insekten, Spinnentiere oder Schnecken gehören dazu, außerdem Reptilien und Amphibien. Sie suchen sich ein geschütztes Quartier und werden dort nicht nur sprichwörtlich starr vor Kälte. Dabei muss das Versteck aber frostfrei sein, denn die Bildung von Eiskristallen im Körper der Tiere wäre tödlich. Teilweise werden daher in den Körperflüssigkeiten Frostschutzmittel gebildet, um dieser Gefahr zu entgehen. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Zitronenfalter. Als eine der wenigen heimischen Schmetterlingsarten überwintert er nicht als Raupe oder Puppe, sondern als voll entwickelter Falter. Dabei sucht er sich, im Gegensatz zu Tagpfauenauge oder Kleiner Fuchs, kein geschütztes Quartier in Spalten, Schuppen oder auf Dachböden, sondern hängt frei in der Vegetation. Dort wird er teilweise eingeschneit oder äußerlich von Eiskristallen umgeben, seine Körperflüssigkeiten aber werden durch die Einlagerung von Glycerin, Sorbit und Eiweißen geschützt. Durch Form und Färbung ist der Falter an seinem bevorzugten Platz zwischen Brombeerblättern kaum zu erkennen.
Im Gegensatz zu den wechselwarmen Tieren sind Vögel und Säugetiere gleichwarm, also in der Lage, ihre Körpertemperatur aktiv aufrecht zu erhalten. Doch wird hierfür viel Energie benötigt, was bei der knappen Winternahrung ein schwieriges Unterfangen sein kann. Winteraktive Säugetiere, wie Rehe, Füchse, Wildschweine, Hasen oder Marder, fressen sich im Herbst eine Fettschicht an und legen sich ein Winterfell zu und halten sich im Winter ruhig an geschützten Plätzen auf. Jede Flucht oder auch nur Erhöhung des Herzschlages durch Stress bedeuten den Verbrauch wertvoller Energie. Diese Arten profitieren daher in besonderem Maße von den nicht zugänglichen Gebieten im Wurzacher Ried und decken ihren Nahrungsbedarf mit dem, was die Natur jetzt noch an Blättern, Wurzeln, Früchten oder Kleintieren hergibt. Einige Säugetiere, darunter Igel und Fledermäuse, gehen einer anderen Strategie nach. Ihre Nahrung aus Insekten und anderen Kleintieren ist im Winter nicht verfügbar. Da hilft nur eins: Augen zu und durch –
sprich Winterschlaf. Die Tiere suchen sich ein geschütztes Winterquartier, wo sie in einen tiefen Ruhezustand fallen und weder fressen noch zur Toilette gehen. Dabei wird die Körpertemperatur heruntergefahren, der gesamte Stoffwechsel mit Atmung und Herzschlag wird enorm verlangsamt. So atmet ein Igel beim Winterschlaf nur etwa sechs- bis achtmal pro Minute, die Körpertemperatur beträgt nur noch um die 5°C. Das spart Energie, die zuvor im Herbst als Fettschicht angelegt wurde. Eine durchaus schöne Vorstellung, die kalte und manchmal auch sehr graue Winterzeit zu verschlafen und erst mit der warmen Frühlingssonne wieder zu erwachen. Eine andere Alternative ist: Nichts wie weg! Diese Strategie findet bei einigen Menschen ja durchaus Anwendung, und auch einige Vogelarten verbringen den Winter in südlicheren Regionen, wo ausreichend Nahrung vorhanden ist. Ein außergewöhnliches Unterfangen, wenn man bedenkt, dass manche Vögel dabei tausende von Kilometern zurücklegen, wenn sie Winterquartiere im südlichen Afrika aufsuchen und dabei Gebirge oder Meere überqueren. Andere Vogelarten hingegen bleiben den Winter über bei uns, suchen akribisch nach den letzten Kleintieren oder ernähren sich von Früchten und Samen. In Gärten profitieren sie dann enorm davon, wenn nicht alles Laub eingesaugt oder weggeblasen und nicht alle Stauden und Gehölze zurückgeschnitten sind. Besonders schwer haben es die kleinen Zaunkönige und Wintergoldhähnchen, die bei ihrer geringen Körpergröße enorm viel Energie verbrauchen. Sie bilden daher in besonders kalten Phasen Schlafgemeinschaften und kuscheln sich dicht aneinander. Gut nachvollziehbar, dass sich die Kälte so leichter ertragen lässt. Und schließlich gibt es auch noch Vogelarten, die erst im Winter aus ihren weiter nördlich und östlich gelegenen Brutgebieten zu uns kommen und die kalte Jahreszeit in unserer Gegend verbringen. Über diese Wintergäste wird das nächste Mal berichtet. Kommen Sie bis dahin gut durch den Winter. Vielleicht nach der Strategie des Eichhörnchens: Einkuscheln und Ruhen im gemütlichen Zuhause, zwischendrin die Vorräte und die Wintersonne genießen.
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Mit Moos famos
Wenn mit Anbruch der kälteren Jahreszeit die Vegetation nach und nach farbenärmer wird, kommen grüne Pflanzen besonders gut zur Geltung. Das gilt insbesondere für Moose, die häufig dicke Kissen oder flächige Teppiche am Waldboden bilden, den Nebel aus der Luft auffangen und dann in der Sonne glitzern. Sie tragen so schöne Namen wie Frauenhaar, Schlafmoos oder Runzelbruder.
Moose haben sich nach heutiger Ansicht vor mehr als 400 Millionen Jahren aus Grünalgen in der Gezeitenzone entwickelt. Zunächst traten Lebermoose auf, die meist flach sind und mit ihrer lappigen und fleischigen Form an eine Tierleber erinnerten. Durch eine Lebensgemeinschaft mit Pilzen waren sie maßgeblich für die erste Besiedlung des Landes durch Pflanzen verantwortlich. Sie ermöglichten den ersten Landgängern das Überleben unter den trockenen und nährsalzarmen Bedingungen, die an Land vorherrschten. Somit legten Moose den Grundstein für die Besiedlung des Landes und trugen wesentlich zur Diversifizierung des Lebens auf der Erde bei. Von den zuletzt in der pflanzlichen Evolution entstandenen Blütenpflanzen unterscheiden sich Moose stark in ihrem Aufbau, denn sie besitzen keine Wurzeln und keine Leitgefäße, um Wasser und Nährsalze zu transportieren. Auch der uns so vertraute Aufbau mit Stängel, Blättern und Blüte fehlt bei ihnen.
Moose wachsen nur langsam und sind häufig sehr klein und daher gegenüber anderen Pflanzen meist konkurrenzschwach. Dafür können sie Lebensräume besiedeln, an denen sonst nur wenige andere Pflanzen gedeihen, wie beispielsweise nackte Felsen, Baumrinde oder auf Dächern. Moose sind wahre Überlebenskünstler. Sie können fast vollständig austrocknen, ohne abzusterben und sich beim nächsten Regen wieder mit Wasser vollsaugen. Neben Lebermoosen gibt es noch die beiden Gruppen Hornmoose und Laubmoose. Weltweit gibt es etwa 16.000 verschiedene Arten.
Für uns Menschen sind Moose schon seit frühester Zeit von Nutzen. So wurden sie als Füllmaterial für Matratzen und Polster verwendet, woraus sich für manche Arten der Name Schlafmoos ableitete. Bei Häusern und Booten wurden sie zum Abdichten von Ritzen und Spalten eingesetzt und dienten im 1. Weltkrieg als Wundkompressen. Neben der hohen Wasseraufnahmekapazität war dabei ihre antimikrobielle Wirkung von Bedeutung. Auch als Windeln oder Toilettenpapier kamen sie zum Einsatz. Eine Gruppe der Moose ist in heutiger Zeit von ganz besonderer Bedeutung für uns: die Torfmoose, die in ausschließlich von Regenwasser gespeisten Hochmooren vorkommen. Sie wachsen mit ihren oberen Pflanzenteilen kontinuierlich in die Höhe, während sie in den unteren Bereichen nach und nach absterben. Da diese absterbenden Pflanzenteile im Wasser stehen und dort aufgrund von Sauerstoffmangel nicht zersetzt werden, entsteht Torf. In diesem sind große Mengen an Kohlenstoff gespeichert, die nicht in Form von Kohlendioxid in die Atmosphäre übergehen. Damit kommt den Hochmooren mit ihren Torfmoosen eine große Bedeutung beim Klimaschutz zu. Zudem haben Torfmoose eine enorme Wasserspeicherkapazität und können das 20 bis 30-fache ihres Gewichtes an Wasser speichern. Dadurch wirken sie wie ein Schwamm und besitzen eine wichtige Funktion für den Hochwasserschutz. Mit dem Wurzacher Ried hat Bad Wurzach somit einen wichtigen Partner in Sachen Hochwasserschutz direkt an seiner Seite. Dass bei den extremen Niederschlägen dieses Frühjahr sogar dieser große Wasserspeicher nicht mehr ausreichte, verdeutlicht, wie extrem dieses Ereignis war und sollte uns in unserem Umgang mit Boden und Gewässern zu denken geben. Nichtsdestotrotz gilt, sei es beim Hochwasserschutz oder beim Klimaschutz: Mit Moos famos!
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Die Aufliegerin
Herbstzeit ist auch die Zeit der roten Beeren an Bäumen und Sträuchern. Bei Heckenkirsche, Schneeball, Eibe und vielen mehr verleihen die leuchtenden Früchte ihren Trägern auffällige Farbtupfer. Auch im Hochmoor, ein Lebensraum, in dem aufgrund seiner extremen Bedingungen nur Spezialisten bestehen können, lässt sich zu dieser Jahreszeit bei genauem Hinsehen eine rote Beere entdecken.
Ganz klein und unscheinbar wächst die Gewöhnliche Moosbeere, die zur Familie der Heidekrautgewächse gehört und unser kleinster einheimischer Strauch ist, zwischen den Torfmoospolstern. Genauer gesagt: Sie wächst auf diesen. Denn die zierliche Pflanze liegt mit langen, dünnen Ästen, an denen sich beiderseits kleine, ovale und dunkelgrüne Blättchen wie an einer Perlenschnur reihen, oben auf den Kissen aus dichten Torfmoosen. Sie ist nicht im torfigen Erdreich verwurzelt. So ist sie als „Aufliegerin“ oder „Überkriecherin“ gegenüber den dicht wachsenden Torfmoosen konkurrenzfähig und lässt sich von diesen immer weiter in die Höhe tragen. Im Sommer zieren zartrosa Blüten in Form kleiner Glockenblumen mit zurückgeschlagenen Kronblättern an einzelnen, langen Stängeln die Pflanze. Mit etwa 18 Tagen gehört die Lebensdauer dieser Blüten zu den längsten der heimischen Pflanzenwelt. Nach der Befruchtung insbesondere durch Hummeln und Biene entwickeln sich die Blüten ab September zu kugeligen, roten Beeren, die den Winter hindurch bis zum nächsten Sommer überdauern. Die Ausbreitung der Samen erfolgt vor allem durch Vögel, die diese nach dem Verzehr der Beeren unverdaut an anderer Stelle wieder ausscheiden.
Im Vergleich zur zarten Pflanze wirken die Früchte der Moosbeere sehr überdimensioniert und sind so schwer, dass die Stängel sie nicht tragen können und die Beeren daher meist dem Torfmoos direkt aufliegen. Daraus leitet sich auch der Name Moosbeere ab. Der wissenschaftliche Artname bedeutet übersetzt „saure Beere“ und tatsächlich weisen die Früchte einen leicht säuerlichen Geschmack auf. Werden sie jedoch nach Frosteinwirkung gesammelt, dann ergeben sie eine schmackhafte und wegen des Gehaltes an antibiotischen Inhaltsstoffen haltbare Marmelade, die ähnlich wie Preiselbeeren verwendet werden kann. Der hohe Anteil an Pektinen bewirkt ein leichtes Gelieren, weshalb sie früher auch bei der Zubereitung anderer Marmeladen untergemischt wurde. In Skandinavien, wo die Moosbeere in riesigen Mengen vorkommt, bereitet man daraus den „Polarlikör“ zu. Zu großer Bekanntheit brachte es allerdings nicht unsere Gewöhnliche Moosbeere, dafür aber ihre in Nordamerika beheimatete „große Schwester“, die Großfrüchtige Moosbeere. Kennen Sie nicht? Bestimmt, wenn auch nur unter ihrem amerikanischen Namen: Cranberry.
Das Naturschutzzentrum präsentiert unter der Rubrik „Moor-Momente“ regelmäßig Spannendes und Unterhaltsames aus der vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt des Wurzacher Rieds. Dabei werden Arten vorgestellt, die die Besucher aktuell im Ried antreffen können.