Mit Moos famos
Wenn mit Anbruch der kälteren Jahreszeit die Vegetation nach und nach farbenärmer wird, kommen grüne Pflanzen besonders gut zur Geltung. Das gilt insbesondere für Moose, die häufig dicke Kissen oder flächige Teppiche am Waldboden bilden, den Nebel aus der Luft auffangen und dann in der Sonne glitzern. Sie tragen so schöne Namen wie Frauenhaar, Schlafmoos oder Runzelbruder.
Moose haben sich nach heutiger Ansicht vor mehr als 400 Millionen Jahren aus Grünalgen in der Gezeitenzone entwickelt. Zunächst traten Lebermoose auf, die meist flach sind und mit ihrer lappigen und fleischigen Form an eine Tierleber erinnerten. Durch eine Lebensgemeinschaft mit Pilzen waren sie maßgeblich für die erste Besiedlung des Landes durch Pflanzen verantwortlich. Sie ermöglichten den ersten Landgängern das Überleben unter den trockenen und nährsalzarmen Bedingungen, die an Land vorherrschten. Somit legten Moose den Grundstein für die Besiedlung des Landes und trugen wesentlich zur Diversifizierung des Lebens auf der Erde bei. Von den zuletzt in der pflanzlichen Evolution entstandenen Blütenpflanzen unterscheiden sich Moose stark in ihrem Aufbau, denn sie besitzen keine Wurzeln und keine Leitgefäße, um Wasser und Nährsalze zu transportieren. Auch der uns so vertraute Aufbau mit Stängel, Blättern und Blüte fehlt bei ihnen.
Moose wachsen nur langsam und sind häufig sehr klein und daher gegenüber anderen Pflanzen meist konkurrenzschwach. Dafür können sie Lebensräume besiedeln, an denen sonst nur wenige andere Pflanzen gedeihen, wie beispielsweise nackte Felsen, Baumrinde oder auf Dächern. Moose sind wahre Überlebenskünstler. Sie können fast vollständig austrocknen, ohne abzusterben und sich beim nächsten Regen wieder mit Wasser vollsaugen. Neben Lebermoosen gibt es noch die beiden Gruppen Hornmoose und Laubmoose. Weltweit gibt es etwa 16.000 verschiedene Arten.
Für uns Menschen sind Moose schon seit frühester Zeit von Nutzen. So wurden sie als Füllmaterial für Matratzen und Polster verwendet, woraus sich für manche Arten der Name Schlafmoos ableitete. Bei Häusern und Booten wurden sie zum Abdichten von Ritzen und Spalten eingesetzt und dienten im 1. Weltkrieg als Wundkompressen. Neben der hohen Wasseraufnahmekapazität war dabei ihre antimikrobielle Wirkung von Bedeutung. Auch als Windeln oder Toilettenpapier kamen sie zum Einsatz. Eine Gruppe der Moose ist in heutiger Zeit von ganz besonderer Bedeutung für uns: die Torfmoose, die in ausschließlich von Regenwasser gespeisten Hochmooren vorkommen. Sie wachsen mit ihren oberen Pflanzenteilen kontinuierlich in die Höhe, während sie in den unteren Bereichen nach und nach absterben. Da diese absterbenden Pflanzenteile im Wasser stehen und dort aufgrund von Sauerstoffmangel nicht zersetzt werden, entsteht Torf. In diesem sind große Mengen an Kohlenstoff gespeichert, die nicht in Form von Kohlendioxid in die Atmosphäre übergehen. Damit kommt den Hochmooren mit ihren Torfmoosen eine große Bedeutung beim Klimaschutz zu. Zudem haben Torfmoose eine enorme Wasserspeicherkapazität und können das 20 bis 30-fache ihres Gewichtes an Wasser speichern. Dadurch wirken sie wie ein Schwamm und besitzen eine wichtige Funktion für den Hochwasserschutz. Mit dem Wurzacher Ried hat Bad Wurzach somit einen wichtigen Partner in Sachen Hochwasserschutz direkt an seiner Seite. Dass bei den extremen Niederschlägen dieses Frühjahr sogar dieser große Wasserspeicher nicht mehr ausreichte, verdeutlicht, wie extrem dieses Ereignis war und sollte uns in unserem Umgang mit Boden und Gewässern zu denken geben. Nichtsdestotrotz gilt, sei es beim Hochwasserschutz oder beim Klimaschutz: Mit Moos famos!
Quelle: NAZ
Die Aufliegerin
Herbstzeit ist auch die Zeit der roten Beeren an Bäumen und Sträuchern. Bei Heckenkirsche, Schneeball, Eibe und vielen mehr verleihen die leuchtenden Früchte ihren Trägern auffällige Farbtupfer. Auch im Hochmoor, ein Lebensraum, in dem aufgrund seiner extremen Bedingungen nur Spezialisten bestehen können, lässt sich zu dieser Jahreszeit bei genauem Hinsehen eine rote Beere entdecken.
Ganz klein und unscheinbar wächst die Gewöhnliche Moosbeere, die zur Familie der Heidekrautgewächse gehört und unser kleinster einheimischer Strauch ist, zwischen den Torfmoospolstern. Genauer gesagt: Sie wächst auf diesen. Denn die zierliche Pflanze liegt mit langen, dünnen Ästen, an denen sich beiderseits kleine, ovale und dunkelgrüne Blättchen wie an einer Perlenschnur reihen, oben auf den Kissen aus dichten Torfmoosen. Sie ist nicht im torfigen Erdreich verwurzelt. So ist sie als „Aufliegerin“ oder „Überkriecherin“ gegenüber den dicht wachsenden Torfmoosen konkurrenzfähig und lässt sich von diesen immer weiter in die Höhe tragen. Im Sommer zieren zartrosa Blüten in Form kleiner Glockenblumen mit zurückgeschlagenen Kronblättern an einzelnen, langen Stängeln die Pflanze. Mit etwa 18 Tagen gehört die Lebensdauer dieser Blüten zu den längsten der heimischen Pflanzenwelt. Nach der Befruchtung insbesondere durch Hummeln und Biene entwickeln sich die Blüten ab September zu kugeligen, roten Beeren, die den Winter hindurch bis zum nächsten Sommer überdauern. Die Ausbreitung der Samen erfolgt vor allem durch Vögel, die diese nach dem Verzehr der Beeren unverdaut an anderer Stelle wieder ausscheiden.
Im Vergleich zur zarten Pflanze wirken die Früchte der Moosbeere sehr überdimensioniert und sind so schwer, dass die Stängel sie nicht tragen können und die Beeren daher meist dem Torfmoos direkt aufliegen. Daraus leitet sich auch der Name Moosbeere ab. Der wissenschaftliche Artname bedeutet übersetzt „saure Beere“ und tatsächlich weisen die Früchte einen leicht säuerlichen Geschmack auf. Werden sie jedoch nach Frosteinwirkung gesammelt, dann ergeben sie eine schmackhafte und wegen des Gehaltes an antibiotischen Inhaltsstoffen haltbare Marmelade, die ähnlich wie Preiselbeeren verwendet werden kann. Der hohe Anteil an Pektinen bewirkt ein leichtes Gelieren, weshalb sie früher auch bei der Zubereitung anderer Marmeladen untergemischt wurde. In Skandinavien, wo die Moosbeere in riesigen Mengen vorkommt, bereitet man daraus den „Polarlikör“ zu. Zu großer Bekanntheit brachte es allerdings nicht unsere Gewöhnliche Moosbeere, dafür aber ihre in Nordamerika beheimatete „große Schwester“, die Großfrüchtige Moosbeere. Kennen Sie nicht? Bestimmt, wenn auch nur unter ihrem amerikanischen Namen: Cranberry.
Quelle: Thomas Muth
Im Sinkflug
Bereits seit über 50 Jahren wird in Deutschland jedes Jahr ein „Vogel des Jahres“ gekürt. Anfangs durch die Naturschutzverbände, inzwischen durch eine Wahl der Bevölkerung. In diesem Jahr hat der Kiebitz das Rennen gemacht. Mit dem Slogan „Wasser marsch“ steht er dabei auch für den Schutz seiner Lebensräume: Moore und andere Feuchtgebiete.
Mit seinem Wahlsieg ist der Kiebitz nur vordergründig ein Gewinner, denn zur Wahl stehen insbesondere Vogelarten, die direkt oder durch den Verlust ihrer Lebensräume bedroht sind und daher stärker in das Bewusstsein gerückt werden sollen. Dabei war der Vogel mit der markanten Federholle auf dem Kopf und dem charakteristischen, schmetterlingsarten Flug früher ein Allerweltsvogel und nahezu überall auf Wiesen, Weiden und Äckern anzutreffen. Weithin hörbar schallte sein „Ki-witt, k-iwitt“ durch die Landschaft, das dem Vogel auch seinen Namen gab. Übersetzt als „Komm mit, komm mit“ interpretierte man die Rufe in manchen Gegenden allerdings als Lockrufe in die Unterwelt und stigmatisierte den Vogel so zum Unheilbringer. Andernorts galt er als Glücksbringer oder Liebesmagier, was nicht weiter verwundert, wenn man die extravaganten Flugdarbietungen der werbenden Kiebitz-Männchen betrachtet. Mit kräftigen Flügelschlägen fliegen sie los, starten dann senkrecht nach oben durch, um sich anschließend mit Überschlägen und Drehungen um die eigene Achse taumelnd nach unten zu stürzen und erst im letzten Moment wieder in die Höhe zu ziehen. Die anspruchsvollen Kiebitz-Weibchen aber geben sich keineswegs mit dieser spektakulären Flugshow zufrieden. Sie fordern auch noch einen wippenden Bodentanz ein, bevor sie mit der Familiengründung einverstanden sind. Das Gelege der Kiebitze ist im Gegensatz zur auffälligen Balz meisterhaft unauffällig. Die vier Eier werden auf den nackten oder nur mit wenigen Halmen angerichteten Boden gelegt, wo sie durch ihre Farbgebung mit dem Untergrund optisch verschmelzen. Sollten sich Fressfeinde nähern, locken die Eltern diese mit vorgetäuschter Flugunfähigkeit humpelnd und mit hängenden Flügeln vom Nest weg. „Verleiten“ nennt man diese raffinierte Täuschungsaktion.
Trotz dieser Anpassungen sind die Rufe der Kiebitze vielerorts verstummt. Früher setzte ihnen eine direkte Verfolgung zu, heute ist es die intensive Landnutzung, die durch Entwässerung von Feuchtgebieten die ursprünglichen Lebensräume der Kiebitze nahezu vollständig zerstört hat. Die Bestände des Flugakrobaten befinden sich im drastischen Sinkflug. In Deutschland ist der Vogel inzwischen stark gefährdet, in Baden-Württemberg vom Aussterben bedroht. Häufig brütet die Art nur noch in Restvorkommen auf Ersatzlebensräumen wie Äckern, wo die kleinen Bestände durch die frühe Bodenbearbeitung und Fressfeinde meist keine Chance haben. Das Naturschutzzentrum Wurzacher Ried hat den Kiebitzschutz in diesem Jahr in den Fokus gerückt. Zehn bis zwölf Brutpaare konnten bereits im und um das Wurzacher Ried festgestellt werden, wodurch die enorme Bedeutung dieses Gebietes wieder einmal unterstrichen wird. Einige Gelege wurden mit Drahtkörben gegen Fressfeinde geschützt. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie bei ihrem Spaziergang mal einen Kiebitz im Korb entdecken. Gute Chancen, die Vögel bei der Nahrungssuche oder ihren Flugdarbietungen zu beobachten, bestehen übrigens im Bereich der Wasserbüffelweide am westlichen Rand des Rieds. Von den vierbeinigen Landschaftspflegern, die sowohl die Strukturvielfalt als auch das Insektenangebot erhöhen, profitiert auch unser Jahresvogel.
Das Naturschutzzentrum präsentiert unter der Rubrik „Moor-Momente“ regelmäßig Spannendes und Unterhaltsames aus der vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt des Wurzacher Rieds. Dabei werden Arten vorgestellt, die die Besucher aktuell im Ried antreffen können.