Natur erleben

MOOR-Momente

Namensvettern

Wo Wasser ist, da sind meist auch Weiden nicht fern. Als kleine Sträucher oder mächtige Bäume stehen sie im Uferbereich und wiegen ihre Zweige im Wind. Feuchte und sogar zeitweise überschwemmte Standorte können sie gut ertragen.

Weide leitet sich vom altdeutschen Wort „widen“ ab. Es bedeutet biegen und bezieht sich auf die biegsamen Zweige dieser Bäume, die häufig zum Flechten verwendet werden. Der wissenschaftliche Name Salix nimmt Bezug auf den hohen Gehalt an Salicin in der Rinde und den Blättern. In der menschlichen Leber wird dieser Stoff in Salicylsäure umgewandelt, die eine schmerzstillende und fiebersenkende Wirkung hat. Schon seit dem Altertum wurden Weiden daher als Mittel gegen Fieber und Kopfschmerzen verwendet, bevor sie durch die synthetische Herstellung von Acetylsalicylsäure an Bedeutung verloren. 
Abgesehen von einzelnen Arten mit rundlichen Blättern ist die Blattform bei Weiden typischerweise schmal-lanzettlich. Dies drückt sich auch in der Namensgebung zahlreicher anderer Pflanzen aus, die ebenfalls eine solche Blattform aufweisen, jedoch nicht mit der Weide verwandt sind. Im Wurzacher Ried findet man z.B. den Weidenblättrigen Alant, verschiedene Arten des Weidenröschens, den Gilbweiderich oder den Blutweiderich. Sie alle besitzen länglich-schmale, weidenförmige Blätter und wurden entsprechend benannt. Insbesondere der Gewöhnliche Blutweiderich sticht im Wurzacher Ried gerade vielerorts ins Auge, denn die purpurvioletten Blüten säumen in großen Beständen die Gewässer und setzen kräftige Farbakzente auf den Feuchtwiesen. Sie bilden regelrecht eine Augenweide. Der andere Namensteil der Pflanze bezieht sich einerseits auf die intensive Blütenfarbe, anderseits auf ihre frühere Verwendung als blutstillendes Mittel in der Volksmedizin. Daneben wurde der Blutweiderich arzneilich bei Durchfällen, Typhus oder Ruhr eingesetzt, bedingt durch den hohen Gehalt an Gerbstoffen, die als Fäulnisschutz in den Wurzeln eingelagert sind. Für Insekten spielt die Pflanze eine wichtige Rolle als Nektarspender. Bienen, Schwebfliegen oder Schmetterlinge, darunter insbesondere Zitronenfalter und weitere Weißlinge, sind in großer Zahl an den Blüten zu beobachten. Die Blätter hingegen sind eine wichtige Nahrung für die Raupen des Nachtpfauenauges. 
Flankiert wird der Blutweiderich bisweilen vom goldgelb blühenden Gilbweiderich, mit dem er nicht näher verwandt ist, aber die Blattform der schmalblättrigen Weiden teilt. Diese werden übrigens auch Felbern genannt, wovon sich wiederum Felberich ableitet, der zweite Name des Gilbweiderichs. Sie merken schon, wie immer in der Natur hängt auch hier vieles miteinander zusammen. Und Namen sind manchmal eben doch nicht nur Schall und Rauch.
 

 

 

Kranichfamilie im Wurzacher RiedQuelle: Wolfgang Einsiedler

Boten des Glücks

Bei Kranichen denkt man zunächst einmal an Mecklenburg-Vorpommern. Das Bundesland beherbergt mehr als die Hälfte des deutschen Brutbestandes und ist zudem bekannt für die spektakulären Rastansammlungen dieser Vögel während des Vogelzuges. In Baden-Württemberg ist der Kranich seit dem frühen 19. Jahrhundert als Brutvogel ausgestorben. Doch eine anhaltende Ausbreitung und Bestandszunahme in ganz Mitteleuropa und zunehmende Brutansiedlungen in benachbarten Regionen ließen eine Wiederbesiedlung als wahrscheinlich gelten.

Im Jahr 2016 konnte Baden-Württemberg dann die erste Kranichbrut seit langem verzeichnen – und zwar, Sie ahnen es bestimmt schon – im Wurzacher Ried! Seitdem hat das Paar dort in jedem Jahr gebrütet. Eine Sensation in ornithologischen Fachkreisen und ein weiterer Baustein in der Erfolgsgeschichte um den Schutz des Wurzacher Rieds. 
Seine Größe von bis zu 1,20 Metern, die langen Beine und der lange Hals machen den Kranich nahezu unverwechselbar. Das graue Körpergefieder bildet einen Kontrast zu den schwarzen Schwingen und Schwanzfedern sowie zur schwarz-weißen Kopf- und Halszeichnung. Charakteristisch sind die federlose, rote Kopfplatte sowie die „Feder-Schleppe“, die bei Altvögeln über den Schwanz hinausragt. In der Luft macht der Kranich durch seine trompetenartigen Rufe auf sich aufmerksam.
Kraniche haben die Menschheit seit jeher fasziniert: Durch ihre grazile Schönheit, wenn sie langbeinig umherschreiten oder durch ihr spektakuläres Balzritual, bei dem die Partner mit ausgebreiteten Flügeln regelrechte Tänze vollführen. Diese werden begleitet von einem schmetternden Duettgesang aus aneinandergereihten Gruh-Lauten, passend zum wissenschaftlichen Namen des Vogels Grus grus. Ebenfalls faszinierend ist der Kranichzug, eines der auffälligsten Naturschauspiele, welches die Vogelwelt zu bieten hat. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts haben sich Forscher die Köpfe darüber zerbrochen, wie die Kraniche ihren Weg finden. Heute weiß man, dass sie das Magnetfeld der Erde mit optischen Eindrücken kombinieren, quasi nach Karte und Kompass navigieren. Die markante Gestalt der Kraniche hat zu allen Zeiten Dichter und Künstler gleichermaßen inspiriert. Wachsamkeit und Klugheit waren die Attribute, die dem Vogel zugeschrieben wurden. Einem Kranich entgeht nichts und angeblich kann er sogar Vorkehrungen zur Gefahrenabwehr treffen. Einer uralten Vorstellung zu Folge sollen wachende Kraniche einen Stein in der Kralle halten. Schlafen sie ein, werden sie durch dessen Gepolter beim Herunterfallen geweckt. In der griechischen Mythologie war der Kranich gleich drei Göttern zugeordnet: Apollon, Gott des Lichtes und des Frühlings, Demeter, Göttin der Erde und Fruchtbarkeit, und Hermes, Schutzgott des Verkehrs und der Reisenden. Im alten Kaiserreich China war der Kranich Symbol für ein langes Leben und Weisheit und im alten Ägypten galt er als Sonnenvogel, als Bringer von Licht und Glück. Welch ein Glück also, dass sich ein Kranichpaar nun ausgerechnet das Wurzacher Ried als Brutplatz ausgesucht hat und künftig hoffentlich noch weitere Paare zum Bleiben inspirieren wird. In diesem Jahr erblickten zwei Küken das Licht der Welt, die sich inzwischen von zimtbraunen Pulli zu flugfähigen Jungvögeln entwickelt haben. Bis etwa Oktober wird sich die Kranichfamilie noch im Umkreis des Rieds aufhalten und sich dann auf den Zug Richtung Süden begeben. Dann können wir sie, ganz im Sinne ihres wissenschaftlichen Namens, mit einem lieben Grus grus bis zum nächsten Jahr verabschieden.

 

Traubenkirschen-GespinstmotteQuelle: NAZ

Verhüllungskünstler

Schaurige Anblicke bieten sich derzeit fast überall in den bewaldeten Randbereichen des Wurzacher Rieds. Blätter, Zweige und mitunter auch ganze Stämme sind mit dichten, weißen Gespinsten überzogen. Bäume und Büsche sind teilweise komplett kahlgefressen. Sie erscheinen abgestorben und wie mit einem Leichentuch verhüllt. 

Bei den kahlgefressenen Büschen handelt es sich um die Gewöhnliche Traubenkirsche und die gefräßigen Übeltäter sind die Raupen der Traubenkirschen-Gespinstmotte, Yponomeuta evonymellus. Sie besiedeln ihre Futterpflanze in manchen Jahren in einer schier unglaublichen Anzahl. Doch die Pflanzen sterben nicht etwa ab, sondern treiben wieder aus, sobald die Raupen ihre Fraßtätigkeit eingestellt und sich verpuppt haben. Anschließend schlüpfen unscheinbare Falter, die nur gut einen Zentmeter groß sind und sehr schmale Flügel haben. Die Vorderflügel, die in Ruhe leicht gerollt eng am Körper liegen, sind silbrig weiß mit fünf Reihen schwarzer Punkte. Die Weibchen legen ihre Eier an den Winterknospen der Traubenkirsche ab. Die nur einen Millimeter großen Eiräupchen überwintern geschützt unter den Knospenschuppen, um im zeitigen Frühjahr sofort mit der Nahrungsaufnahme zu beginnen. Zunächst fressen sie im Inneren der Knospen und machen sich erst im letzten Raupenstadium ab etwa Ende Mai oder Anfang Juni über die Blätter her. Dabei überziehen sie ihre Futterpflanze mit dem weißen Gespinst. Es dient zum Schutz vor Feinden sowie vor Witterungseinflüssen wie Regen. Zur Verpuppung bilden sie dann dichte Gespinste in Form von Paketen, in denen die einzelnen Tiere jeweils parallel zueinander in getrennten Kokons eingesponnen sind. Etwa einen Monat später stehen die Traubenkirschen häufig schon wieder in dichtem Laub. Unterstützt vom nährstoffreichen Kot der Raupen machen sie einen zweiten Austrieb. Selbst dann, wenn in manchen Jahren ein regelrechter Massenbefall zu beobachten ist. Als Ursachen hierfür spielen insbesondere Temperatur und Feuchtigkeit eine Rolle. Heiße, trockene Temperaturen fördern den Falterflug. Bei ungestörtem Verlauf kann eine Massenentwicklung ein bis mehrere Jahre andauern. Dann aber führen die wachsende Raupendichte und der dadurch bedingte Nahrungsmangel zunehmend zu Hungerstress, den viele Raupen nicht überleben. Zudem verhindern Krankheiten sowie eine Vielzahl natürlicher Gegenspieler eine ungebremste Ausbreitung. Vögel, Spinnen oder Raubwanzen bedienen sich an dem reich gedeckten Tisch. Schlupfwespen wiederum nutzen die Raupen als Kinderstube für ihren eigenen Nachwuchs. Gezielt platzieren sie mit ihrer Legeröhre ihre Eier in den Raupen der Gespinstmotten, die von den schlüpfenden Larven von innen heraus aufgefressen werden. Ein Horrorszenario jagt also das andere. Sorgen sind jedoch unbegründet und eine Bekämpfung völlig unnötig. Weder für Mensch noch für Tier geht eine Gefahr von den Raupen aus, die keine Brennhaare haben und daher auch keine allergischen Reaktionen hervorrufen. Vielmehr stellen die Gespinste schaurig-schöne Naturschauspiele dar, an denen Naturfreunde sich erfreuen sollten. Und zu einem Moor gehört schließlich auch ein bisschen Gruselfaktor. 
 

 

 

TeichroseQuelle: NAZ

 

Die Mummel und die Muhme

Die großen Schwimmblätter sind schon seit einer Weile auf der Wurzacher Ach oder auf dem Weiher im hinteren Wurzacher Kurpark zu sehen. Doch die goldgelben Blüten erscheinen erst jetzt nach und nach und verraten, dass es sich bei der Pflanze nicht um Seerosen, sondern um die Gelbe Teichrose handelt. 

Die Weiße Seerose und die Gelbe Teichrose gehören beide zur Familie der Seerosengewächse und sind anhand ihrer an der Oberfläche treibenden Schwimmblätter nur schwer zu unterscheiden. Die Blüten jedoch geben die Art dann Preis. Die leuchtend gelben Blütenköpfe der Teichrose sind halbkugelig und maximal vier Zentimeter breit. Sie strömen einen starken, angenehmen Duft aus und locken als Bestäuber insbesondere Käfer und Schwebfliegen an. Unter Wasser besitzt die Gelbe Teichrose weiche, salatartige Unterwasserblätter. Sie kann bis in eine Wassertiefe von 6 m vorkommen. Wie viele Wasserpflanzen besitzt auch die Teichrose in allen Pflanzenteilen ein spezielles Durchlüftungsgewebe, das Luft von den Spaltöffnungen an den Blättern zu den Wurzelspitzen leitet. Zudem ist sie durch einen hohen Gehalt an Gerbstoffen vor Fäulnis geschützt. Doch im Laufe des Sommers zeigt sich zunehmend, dass sich jemand an der Pflanze zu schaffen macht. Immer mehr Fraßgänge sind an den Schwimmblättern der Teichrose zu erkennen. Sie stammen vom Seerosenblattkäfer, der seinen gesamten Entwicklungszyklus vom Ei bis zum Käfer an der Oberseite der Blätter absolviert. Sobald die Blätter nach dem Winter an die Oberfläche kommen, werden sie von den Käfern bevölkert, die den Winter an Land in der Bodenstreu verbracht haben und alsbald ihre Eier auf den Teichrosenblättern ablegen. Käfer und Larven fressen unregelmäßige Gänge in die oberen Schichten der Blätter. Die untere Blattschicht bleibt intakt, so dass das Blatt nicht überflutet wird oder sinkt. Im Laufe eines Sommers sind mehrere Generationen möglich, bis die Käfer die Teichrosen im Herbst zur Überwinterung wieder verlassen. Neben der Teichrose ist der Seerosenblattkäfer auch an Seerosen, Wasserknöterich und einigen weiteren Wasserpflanzenarten zu finden, ja sogar an der Erdbeere. Er ist daher auch als Erdbeerkäfer bekannt.

Der Mensch nutzte in früheren Zeiten ebenfalls die Gelbe Teichrose, obwohl sie durch den Gehalt an Alkaloiden in allen Pflanzenteilen leicht giftig ist. In Zeiten des Mangels an Mehl wurden die stärkehaltigen Rhizome, mit denen die Pflanze im Boden verankert ist, gemahlen und dem Teig zum Brotbacken untergemischt. Heute steht die Gelbe Teichrose unter Naturschutz und wird darüber hinaus gemäß einem Aberglauben von der Wassermuhme, einem bösen Wassergeist, beschützt. Dies hat ihr den Volksnamen Mummel eingebracht. Dass mit Wassermuhmen nicht zu spaßen ist, wusste bereits Wilhelm Busch: „In dem See die Wassermuhmen, wollen ihr Vergnügen haben, fangen Mädchen sich und Knaben, machen Frösche draus und Blumen. Wie die Blümlein zärtlich knicksen, wie die Frösche zärtlich quaken, wie sie flüstern, wie sie schnaken, so was freut die alten Nixen.“ Geben Sie also auf sich acht beim nächsten Spaziergang an den Wurzacher Gewässern!

 

Das Naturschutzzentrum präsentiert unter der Rubrik „Moor-Momente“ regelmäßig Spannendes und Unterhaltsames aus der vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt des Wurzacher Rieds. Dabei werden Arten vorgestellt, die die Besucher aktuell im Ried antreffen können.  
 

 

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